Meine und deine Prioritäten

Die meisten Eltern würden mir vermutlich zustimmen, dass der Alltag oft ganz schön viele und eng getaktete Aufgaben bereithält.

Unser Alltag unter der Woche sieht in etwa so aus aus: Die Kinder werden morgens um 7.30 Uhr in den Kindergarten gebracht, es geht zurück und an den Schreibtisch, irgendwann koche ich etwas zu Essen, dann geht es weiter im Büro bis ich den Stift fallenlasse und die Kinder abhole. Meist geht es dann zu irgendeinem Termin, manchmal sogar zu mehreren. Dazwischen gehen wir noch Einkaufen und wenn die Kinder gerade schön zusammen spielen, bleibt Zeit um schnell die Geschirrspülmaschine auszuräumen und die Wäsche aus dem Trockner zu holen. Meist funktioniert dieser Part allerdings nicht reibungslos, weil das „schöne Zusammenspiel“ just in dem Moment endet, in dem man mitten im Wäscheberg steht. Ich rase also die Treppe wieder hoch, wo der völlig wutentbrannt heulende Kleine steht, weil der große Bruder ihn nicht hat mitspielen lassen oder wo ich den meckernden Großen antreffe, weil der Kleine sein Bauwerk zerstört hat. So hangeln wir uns dann durch den Nachmittag und frühen Abend, bis es Essen gibt und wir uns bettfertig machen.

Schwieriger ist es, wenn wir noch bis zur Essenszeit unterwegs waren und wir uns recht zügig fertig machen müssen. Meist eskaliert die Situation dann früher oder später. Ich merke, wie die Uhr tickt, die Kinder sind müde vom Tag und rasten aus, sobald sie durch die Tür kommen. Und auch ich bin abgespannt und leichter reizbar. Man kann also davon ausgehen, dass sich dann irgendwann der Frust der Kinder entlädt und bei mir auf fruchtbaren Boden fällt. Mal mehr, mal weniger entspannt arbeiten wir uns also durch Abendessen, Duschen und Umziehen, bis wir dann endlich im Bett sitzen zur allabendlichen Vorlesegeschichte. Da es dann schon kurz vor 20 Uhr ist, bin ich froh, wenn die Kinder gut einschlafen und ich noch die 3 Körbe voller Wäsche falten kann oder im besten Fall ein wenig meinen eigenen Feierabend genießen kann, bevor ich selbst ins Bett falle.

Da kann ich schonmal etwas genervt reagieren, wenn eins unserer Kinder dann das dritte Mal die Treppe wieder runter kommt oder unbedingt noch länger kuscheln will als üblich.

Erkennt ihr euch wieder? Habt ihr auch oft solche Tage, an denen ihr müde und etwas gestresst seid? Momente, in denen ihr euch nicht mehr in der Lage fühlt, auf Wünsche wir Gesellschaftsspiele-Marathons oder Kuschelsessions einzugehen? Da wir meist den Alltag der Familie und die Termine managen und koordinieren, arbeitet es im Kopf unentwegt, was wann gemacht werden muss, welche Tasche noch zu packen ist, welche Vorbereitungen noch getroffen werden müssen, damit der nächste Tag wieder reibungslos läuft. Da fällt es manchmal schwer, spontan „noch länger zu spielen, weil es gerade so schön war“, nach dem Kindergarten auf dem Spielplatz zu bleiben „weil gerade ein paar Freunde da sind“ oder noch die dritte Geschichte zu lesen, weil „es gerade so viel Spaß macht“.

Aber eigentlich ist das nicht das, was ich sein möchte. Ich möchte nicht ständig die Spontanität abwürgen und ein Spiel unterbrechen. Ich möchte Gelegenheiten ergreifen und die Kinder ihre Wünsche ausleben lassen. Ich möchte die Prioritäten der Kinder würdigen und sie nicht einfach überstimmen, weil sie mir nicht wichtig erscheinen. Ich möchte nicht ständig meckernd hinter den Kindern stehen, weil wir wieder los müssen und sie sich endlich fertig machen sollen. Ich möchte mit ihnen Kuscheln und Lesen, auch mal ein paar Minuten länger, wenn es gerade gut so ist.

Natürlich ist es im Alltag nicht immer möglich, alles liegen zu lassen, wonach einem gerade nicht ist. Es gibt verbindliche Termine und Fristen. Auch das müssen die Kinder lernen. Aber wann immer wir kleine Oasen schaffen können, kleine Leerräume, die für Unvorhergesehenes Platz schaffen können, sollten wir sie uns bewahren.

  1. Termine abwägen: Welche Termine sind (in diesem Alter) wirklich verbindlich und welche kann man mal ausfallen lassen, wenn der Tag schon zu voll und stressig war? Wir sind, statt zum Kinderturnen zu fahren (was eigentlich eine tolle Sache ist) auch schonmal bei der Eisdiele versackt. Das Wetter war endlich schön und uns war einfach danach. Und es war so gut, dem einfach nachgehen zu können.
  2. Kann man Abläufe entzerren und über den Tag verteilen, damit nicht zu viele Aufgaben geballt hintereinander kommen? So versuche ich, zwischen Abendessen, Duschen und Zähneputzen auch immer kleine Leerräume einzuplanen, in denen die Kinder ein Spiel zu Ende bringen können oder mal länger brauchen dürfen. Wenn ich immer in die Hände klatschend hinter ihnen stehe, nervt das alle.
  3. Prioritäten abwägen: Im Alltag wirken manche Dinge vielleicht belanglos, sie sind es aber nicht. Die morgendliche Kuscheleinheit zum Start in den Tag, das Gespräch beim Abendessen, das freie Spiel im Garten. Gerne werden diese Sachen gekürzt oder ausgelassen, um schneller zum nächsten Programmpunkt übergehen zu können. Bei Stress kommt die liebevolle Zuwendung schnell zu kurz. Das gilt für sich selbst, für den Partner, aber eben auch für die Kinder. Aber es ist so wichtig, immer mal ein kleines Zeichen zu setzen, dass man den anderen gern hat, dass man ihn liebt und schätzt. Selbstverständlich ist das für die Partnerschaft und sich selbst essenziell, aber auch für die Kleinen. Mal ein kleiner Streichler über den Kopf, eine kurze Umarmung zwischendurch, eine Kuscheleinheit morgens und abends. Durch die körperliche Zuwendung und die kleine, bewusste Aufmerksamkeit bleibt die Verbindung und das Kind fühlt sich wahrgenommen.

Das sind zumindest meine Gedanken und Ideen, wenn ich die Situationen, in denen es nicht gut lief, Revue passieren lasse. Manchmal neige ich dazu, wenn ich gerade viel zu tun habe und fertig werden muss, dass ich unwirsch reagiere, wenn einer unsere Söhne wegen irgendwas für mich nicht nachvollziehbarem ausrastet, wütet oder heult. Ich sage sowas wie „komm, deshalb musst du aber nicht so ausrasten!“ oder „Schrei hier nicht so rum, ich kann auch nichts dafür, wenn das Auto jetzt unter dem Schrank liegt.“ Ich hoffe, dass er sich mit der Ansage von alleine beruhigt und ich meine Aufgabe fertig machen kann. Meist ist es aber so, dass es unseren Kindern gar nicht so sehr um den Auslöser geht, sondern sie schreien und heulen, weil sie müde sind, weil sie Aufmerksamkeit möchten oder sich benachteiligt fühlen. Wenn ich selbst die Kraft dazu habe, das im richtigen Moment richtig zu verstehen, dann hocke ich mich zu ihnen auf den Boden, nehme sie einfach auf den Schoß oder in den Arm und zeige ihnen, dass ich sie lieb habe. Das auslösende Problem hat sich dann meist erledigt. Für diese Momente will ich Zeit haben. Die 5 Minuten die Möhren nicht schälen, die Wäsche im Korb liegen lassen, zum Termin später loszufahren. Das muss drin sein. Das schaffe ich nicht immer. Manchmal meckere ich zurück, sie sollen sich nicht so aufführen und sich endlich anziehen. Oder sie sollen nicht sich zu zanken, weil ich dann meine Sachen unterbrechen muss. Aber eigentlich möchte ich mir die Zeit nehmen, sie einfach in den Arm zu nehmen, egal wie oft sie das brauchen.

Ich arbeite daran.

Alex

Bild von Freepik

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